Pouilly-Fumé
Pouilly Fumé – Sauvignon Blanc vom rechten Loire-Ufer
Fumé oder Fuissé? - Es ist der Verwechsler der französischen Weinwelt schlechthin. Aber Pouilly Fumé ist kein Wein aus dem südburgundischen Mâconnais, sondern der eineiige Zwillingsbruder der Appellation Sancerre, der in unmittelbarer Nachbarschaft, am gegenüberliegenden, rechten Loireufer wohnt. Im Gegensatz zu Sancerre entstehen hier ausschließlich Weißweine. In den allermeisten Fällen - wie auch in Sancerre - aus der Rebsorte Sauvignon Blanc. Daneben werden in geringem Maße Weißweine aus der Rebsorte Chasselas gekeltert.
Lange bevor der erste Rebstock in den Böden der heutigen Weinregion Pouilly Fumé wurzelte, kam der Wein als Handelsgut an die Loire. Die Römer transportierten ihn entlang des rechten Loireufers auf der Handelsstraße von Noviodunum, dem heutigen Nevers, nach Genabum, wie Orléans in gallo-römischer Zeit hieß. Und wir mögen uns das Erstaunen in den Minen der Gallier ausmalen, als sie das erste Mal davon probierten. Kannten sie bis dahin an alkoholischen Getränken doch nur Met und vor allem die auf Gerstenbasis gebraute Cervisia.
Auf seiner Handelsreise passierte der Wein ein prächtiges Anwesen namens Pauliacum super fluvium ligerim – Pauls Anwesen am Fluss Loire. Daraus entwickelte sich das winzige Städtchen Pouilly-sur-Loire, von dessen Namen unbezweifelbar die erste Hälfte des Appellationsnamens Pouilly Fumé stammt. Was die zweite Hälfte betrifft, sind sich die Historiker uneins: Stammt der Name Fumé (französisch für „geräuchert“) von dem weißen Schleier auf den reifen Sauvignon Blanc-Beeren, der den Eindruck erweckt, sie seien rauchumflort? Oder resultiert der Name aus den rauchigen Aromen, die insbesondere in jenen Weinen zu finden sind, die auf den hier vergleichsweise häufig anzutreffenden Feuersteinböden wachsen?
Topographie, Klima und Böden von Pouilly Fumé
Das Weinbaugebiet, aus dem der einstige Lieblingsweißwein von Napoleon Bonaparte stammte, erstreckt sich über sieben Gemeinden. Mit 1.400 Hektar Rebfläche ist es nicht einmal halb so groß wie das benachbarte Sancerre. Knapp 150 Winzer bauen hier Wein an. 25 Hektar der Fläche sind mit der Rebsorte Chasselas bestockt, die in Deutschland Gutedel heißt und vor allem im badischen Markgräflerland angebaut wird. Rund zwei Prozent des um Pouilly-sur-Loire produzierten Weins stammen von dieser Rebsorte.
Im Schnitt liegen die Weinberge in Pouilly Fumé etwas tiefer als im benachbarten, deutlich hügeligeren Sancerre. Sie erreichen eine Höhe von bis zu 300 Metern über dem Meeresspiegel. Die besten Lagen haben eine südliche oder südöstliche Exposition, wenngleich der Großteil der Lagen, vor allem in Ufernähe, westlich orientiert ist. Bei ihnen werden die wärmenden Strahlen der Abendsonne zum Garanten für einen gelingende Lese. Denn Qualitätsweinbau ist in dieser kontinental beeinflussten Grenzregion nur aufgrund des mildernden Einflusses der Loire möglich. Und mit wachsender Entfernung der Weinbergslagen von der Loire steigt auch die Gefahr von Spätfrösten.
Die Böden ähneln denen von Sancerre: Die bereits erwähnten Feuerstein- oder Silexböden ziehen sich wie ein von der Loire unterbrochenes Band vom Nordwesten Sancerres bis in den Südwesten von Pouilly Fumé und sind besonders häufig nördlich von Tracy-sur-Loire und um Saint-Andelain anzutreffen. Die darauf wachsenden Weine haben ein gutes Alterungspotential und verfügen über genau jene rauchigen Noten, die den Namen Pouilly Fumé motiviert haben könnten.
Auf den nördlich von Pouilly-sur-Loire gelegenen tonhaltigen Kalkstein-Mergel-Böden namens Terres Blanches entstehen die kräftigsten Weine der Appellation mit floralen und vegetabilen Noten, die ein hohes Reifepotential haben. Da sich diese Böden aus dem Kimmeridgium nur langsam erwärmen, haben die Rebstöcke eine längere Vegetationsperiode, was für zusätzliche Komplexität im Wein sorgt.
Schneller reifen die Trauben auf den Caillottes-genannten kalkhaltigen Schotterböden östlich von Pouilly-sur-Loire und Tracy-sur Loire. Die Weine geraten elegant, frisch, verfügen über eine nervöse Säure und verströmen intensive Düfte. Sie erreichen für gewöhnlich bereits zwei Jahre nach der Lese ihren Höhepunkt. Ihre Lagerfähigkeit hängt maßgeblich vom Alter der Rebstöcke und der Ausbauart des Weines ab.
Hinzu kommen mehr oder weniger skelettreiche Sandböden alluvialen Ursprungs, die sich größtenteils in Ufernähe südlich von Pouilly-sur-Loire befinden und bei Tracy-sur-Loire befinden. Die darauf wachsenden, aromenintensiven Weine verfügen über ein geringes Alterungspotential und trinken sich am genußvollsten in ihrer Jugend.
Wettstreit der Zwillinge – Pouilly Fumé vs. Sancerre
In Anbetracht der Vielfalt der dargestellten Bodenformationen - die überdies noch in zahlreichen Mischformen auftauchen - und den daraus resultierenden stilistischen Unterschieden, stellt sich die Frage, wie die immer wieder auftauchende Behauptung einzuschätzen sei, dass die Weine aus Pouilly Fumé großzügiger, dichter und von cremigerer Textur als die Weine aus dem benachbarten Sancerre seien.
Unserer Ansicht nach scheint diese Behauptung die handwerklichen Fähigkeiten des Winzers zu vernachlässigen. Wenn Sie jedenfalls in der Lage sind, einen Pouilly Fumé treffsicher von einem Sancerre zu unterscheiden, sollten Sie sich schleunigst für Sommelier-Wettbewerbe anmelden. Und unter uns: Schon, wenn Sie einen gereiften Chablis und einen gereiften Pouilly Fumé von Caillottes-Böden jeweils richtig bestimmen können, werden Sie jede Sensorik-Prüfung mit Bravour bestehen, Denn das ist schwieriger als man glauben mag. Trotz der verschiedenen Rebsorten mit ganz unterschiedlichen Aromenprofil.
Und letztendlich sind es die Rebsortenunterschiede, in denen sich der offensichtlichste Unterschied zwischen beiden Zwillingsregionen zeigt: Ist der Wein im Glas rot oder rosé kommt er aus dem linksufrigen Sancerre, denn nur dort wird Pinot Noir angebaut. Verfügt der Weißwein hingegegen über eine milde Säure und präsentiert sich in aromatischer Hinsicht vergleichsweise neutral, dann kommt er vom rechten Ufer und wurde aus der Rebsorte Chasselas gekeltert.
Pouilly-sur-Loire
Die Rebsorte Chasselas stammt möglicherweise aus Südostfrankreich oder der französischen Schweiz, wo sie vor allem im Kanton Wallis unter dem Namen Fendant kultiviert wird. Zumindest zeigen DNA-Analysen eine genetische Verwandschaft mit Trauben des Alpenraums. In Frankreich wird Chasselas vor allem in Savoyen und im Elsass angebaut. Dies legt die Vermutung nahe, dass die Rebsorte zunächst entlang der Rhône Richtung Norden wanderte und dann ins Burgund kam, wo sie im südburgundischen Dorf Chasselas ihren Namen erhielt.
Am Oberlauf der Loire wurde sie vermutlich noch vor der Rebsorte Sauvignon Blanc angebaut. Zumindest war sie hier lange Zeit die meistangebaute Sorte, was auch dem Umstand verschuldet war, dass Chasselas nicht nur eine Kelter-, sondern auch eine Tafeltraube ist. Und die versprachen das weitaus bessere Geschäft als Wein. Insbesondere ab 1861 als die Eisenbahnlinie Pouilly-Paris eröffnet wurde und Trauben entweder frisch nach der Lese oder im restlichen Jahr in Gläsern eingeweckt im großen Stil auf dem Pariser Markt Les Halles angeboten wurde.
Dann verbreitete sich Ende des 19. Jahrhunderts die Reblaus an der Loire und verwüstete die Rebgärten. Bei ihrer Wiederbestockung wurden zumeist Sauvignon Blanc-Reiser auf die amerikanischen Unterlagen gesetzt und Chasselas begann eine untergeordnete Rolle in der Region um Pouilly-sur-Loire zu spielen.
Heute sind gerade noch 25 Hektar mit Chasselas bestockt, die von knapp 60 Winzern bewirtschaftet werden. Nicht einmal 2.000 Hektoliter werden jährlich produziert, die als Abgrenzung von den Weinen aus Sauvignon Blanc unter der Appellationsbezeichnung Pouilly-sur-Loire angeboten werden. Die Weine geraten, verglichen mit den Pouilly Fumé-genannten Weinen, eher neutral und weisen häufig Aromen von grünem Apfel, Zitrone, Haselnüssen und Mandeln vor mineralischem Grund auf.